Genesis Kapitel 1, Vers 1
Es wird wohl
ein Geheimnis bleiben, wie in das Dachgeschoss des schönen Fachwerkhauses in
der Stiftsstraße neben den netten floralen Ausmalungen ein Text geraten ist,
der uns verblüfft. Wer genau hinschaut, erkennt nämlich hebräische
Schriftzeichen, noch gut lesbar erhalten.
florale Ausmalung unterm Dach (Foto: G. Plott) |
Das Haus in der Stiftstraße. Unter dem Dach die hebräische Schrift. (Foto: Philippscheck) |
der hebräische Text - die ersten drei Worte - auf dem Putz; darunter Textteil mit den Worten "Wasser" und "Erde" (Foto: G. Plott) |
Luther
befand die Hebräische Sprache als „die allerbeste und reichste in Worten, rein,
heilig“ und unerlässlich für die Schriftauslegung. Denn Gott habe das Alte
Testament in Hebräisch, das Neue auf Griechisch verfasst. (Diese seine
Einschätzung bedeutete nicht, dass Luther das Judentum wertschätzte. Er hielt
die jüdische Auslegung der alttestamenta-rischen Schöpfungsgeschichte für völlig
falsch und versuchte vehement, sie zu widerlegen.)
Reuchlin-Münze zum 400. Todestag 1922 von Ernst Barlach (Wikipedia) |
Ausschnitt aus der Seite eines Talmud-Textes; eines der vielen hebräischen Originaldokumente, die Reuchlin gesammelt hatte (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Cod. Reuchlin 2) |
Reuchlin konnte 1521 in Tübingen für eine Lehrtätigkeit in Griechisch und Hebräisch angeworben werden, bestellte dazu 100 hebräische Bibeln aus Venedig und rief begeistert aus: „Die Wahrheit wird ausgehen von diesem Lande!“. Die Studenten strömten nach Tübingen, aber Reuchlin starb schon nach kurzer Lehrtätigkeit in Liebenzell, wurde in der Stuttgarter Leonhardskirche begraben. Trotz dieser Situation blieb das Hebräische in einem Auf und Ab seit dieser Zeit Teil der Tübinger Theologenausbildung. Gehört unser Sindelfinger Text in diesen Zusammenhang?
Auf
alle Fälle wissen wir: Unser kleiner Text an der Wand eines eindrucksvollen historischen
Sindelfinger Hauses ist zwar ein winziger Mosaikstein im großen Bild der allgemeinen
kulturhistorischen Entwicklung, aber trotzdem aussagekräftig und Anlass, über
komplexe Aspekte der europäischen Geistesgeschichte nachzudenken.
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