Realschüler
kümmern sich um den "ersten Sindelfinger Demokraten"
Es war ein Experiment: Können Sindelfinger Realschüler mit einem vor 175 Jahren gestorbenen, längst vergessenen Sindelfinger Literaten etwas anfangen? Wird ihnen deutlich, warum dieser August Schäfer für seine demokratischen Ansichten verfolgt wurde und warum er nach Straßburg fliehen musste? Welche schwierigen Zeiten sind dies in Württemberg gewesen? Eine Abendveranstaltung mit Schülerinnen und Schülern der Sindelfinger Realschule Eschenried sollte diese Fragen beantworten.
Der Film zeigt einen kleinen Ausschnitt aus dem fiktiven Interview mit dem Mannheimer Verleger Hoff, bei dem August Schäfer einige seiner Werke verlegt hatte. (Hoff wird von Volker Kittelberger gespielt. Filmproduktion: Hans Knauß. Weitere Filme bei "Kultur am Stift".)
Die Sindelfinger Initiative "Kultur am Stift"
hatte im November 2012 diesen zu Unrecht vergessenen Webersohn einer
interessierten Öffentlichkeit vorgestellt. Sie konnte damals aus Zeitgründen
nicht alle fünf kleinen Filme, die fiktive Interviews mit Zeitgenossen Schäfers
zeigen, vorführen. Bei der Überlegung, dies nachzuholen, entstand die Idee,
Sindelfinger Schülerinnen und Schüler mit ins Boot zu holen. Bei der
Schulleitung und bei Kollegen der Realschule Eschenried stieß man auf offene
Ohren und die Bereitschaft, dieses Experiment zu wagen. Denn dass die
Erarbeitung des komplexen historischen und kulturhistorischen Hintergrunds
nicht einfach sein würde, war den Beteiligten bewusst.
So ist einem heutigen Jugendlichen natürlich nicht klar, warum die Forderung
nach einer deutschen Republik im damaligen Königreich Württemberg auf heftige
und harte Reaktionen, bis hin zur Gefängnisstrafe, führte. Die dabei ins Feld
geführte Formel "König von Gottes Gnaden" erscheint uns heute fremd,
galt aber bis ins 20. Jahrhundert. August Schäfer hat schon als junger Mann
Bestrafungen in Kauf genommen, um mitzuhelfen, ein demokratisches Deutschland
zu schaffen. Er ist dafür "der erste Sindelfinger Demokrat" genannt
worden. Für sein Engagement geriet auch er ins Visier der Spitzel des
erzkonservativen Habsburger Staatskanzlers Metternich, der die damalige Zeit
prägte. Schäfer wurde mit Steckbrief gesucht!
So könnte sich am Beispiel eines Sindelfinger Literaten aktueller Geschichtsunterricht
konkretisieren und personalisieren. Dazu sollen auch die kleinen Filme dienen,
die in Sindelfingen gedreht wurden und die Schäfers Eltern, einen Jugendfreund,
seinen Verleger, den bekannten literarischen Zeitgenossen Karl Gutzkow und
einen württembergischen Zensurbeamten zu Wort kommen lassen. Die Schülerinnen
und Schüler haben durch kurze Gesprächsrunden in die Thematik der jeweiligen
Filme eingeführt und haben dann ihre Eindrücke und ihr neues Wissen diskutiert.