16 November 2023

 
Die bewegte und bewegende Geschichte                 einer Sindelfinger Villa

historisches Foto der Villa (ca. 1907)

Sie hatten sich unter anderem aus Berlin, München und Ulm angemeldet: Nachkommen der Familie Wittmann, deren 1906 am damaligen Stadtrand Sindelfingens erbaute Villa das Thema einer Abendveranstaltung von „Kultur am Stift“ am 19. September bildete. Mit diesem vom Sindelfinger Architekten Georg Bürkle erbauten, jugendstilgeprägten Gebäude, am heutigen Calwer Bogen gelegen, erhielt Sindelfingen seine einzige großbürgerliche Villa, ergänzt von einer umfangreichen Garten- und Parkanlage – ein in Sindelfingen einzigartiges Ensemble.

Erwin Wittmann war seit 1904 Mitbesitzer und Geschäftsführer der Jacquardweberei Zweigart & Sawitzki und brachte auch mit seiner in Buenos Aires geborenen, aus einer Hugenottenfamilie stammenden Frau Anita ein internationales Flair nach Sindelfingen. Auffällig für alle auch das große lateinische Zitat an der Hauswand zur Bachstraße hin   – ein berühmter Text des Dichters Horaz; ein Text, der zeigen sollte, dass diese international vernetzte Familie in Sindelfingen ihre Heimat gefunden hatte.

Birkenhain im Garten der Villa

Anita und Erwin Wittmann (Hochzeitsfoto)

Die Veranstaltung musste aber auch berichten, wie nach einem friedlichen und kulturbetonten Anfang schicksalhafte und typische politische Entwicklungen des 20. Jahrhunderts die Hoffnung auf ein sorgenfreies Leben zunichtemachten. Die unterschiedlichen Nutzungen der Villa, die heute "Kindervilla Wittmann" heißt und die viele Sindelfinger/ Innen noch heute als "Wilhelminenheim" kennen, spiegeln dies wider. Dass auch die Ideologie des Dritten Reichs grausam in das Familienschicksal mit hineinspielte, gab dem Geschehen um diese Villa eine tragische Dimension. 

Die Sindelfinger Stadtgesellschaft hatte große Schwierig-keiten, mit dem Schicksal dieser außergewöhnlichen Familie zurechtzukommen. Erst lange Zeit nach dem Krieg wurden Kontakte aufgenommen. Dass dieses bedeutende Gebäude aktuell den Namen "Kindervilla Wittmann" trägt, ist ein Grund zur Genugtuung.

Abschluss der Veranstaltung mit Vertretern von "Kultur am Stift", der Stadt und der Familie Bertsch

Neben der Information über diese in Sindelfingen einzigartige Villa boten die Veranstalter mit diesem Abend am 19. September 2018 den Nachkommen der Familie Wittmann, von denen seit 1936 niemand mehr in Sindelfingen lebt, einen erstmaligen, bewegenden Treffpunkt direkt an der Villa.

(Für die historischen Fotos danken wir der Familie Bertsch in Ulm und Berlin)


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