Ein Sindelfinger Webmeister: Friedrich Ruthardt
Immer wieder hat "Kultur am Stift" sich auch mit dem Thema der Sindelfinger Webereigeschichte befasst. Also geben wir hier auch ein kleines, aber typisches Beispiel.
An der Straße, die schnurgerade zum Böblinger Bahnhof führte und an ihrem südlichen Ende Böblinger Allee hieß, entstand 1896 direkt an der Markungsgrenze die Maschinenfabrik Emil Kabisch. Kabisch, aus Görlitz stammend und durch ein kostenloses Fabrikareal nach Sindelfingen gelockt, stellte vor allem auch Zusatzmaschinen zu Webmaschinen her.
Noch im gleichen Jahr wurde hinter dem Fabrikgebäude ein Webereigebäude gebaut, in das die Stuttgarter Firma Bachert & Eppstein einzog, die ab 1904 als Bachert & Cie firmierte und "Crêpe de Santé" für Unterkleider webte; eine Stoffart, die "aus der Schweiz verpflanzt" worden war. Immerhin liefen da um die 50 Webstühle!
Die Rechnung von 1905 zeigt den Fabrikkomplex an der Böblinger Allee. Am Westrand der Allee das Ausflugslokal "Im Wiesengrund". (Rechnung im Privatbesitz.) |
Familie Friedrich Ruthardt; mit Frau Katharina, geb. Zeile. Collage aus zwei Bildern. Für Familienfoto Dank an Frau Ruthardt, für Belegschaftsbild Bachert Dank an Horst Weber. |
Bauzeichnung 1926: Fabrikgebäude Ruthardt. Ab den 70er Jahren als Moschee genutzt. (Abb.: Stadtarchiv) |
Webmeister Wilhelm Volz erzählte, dass Ruthardt dann einige Webmaschinen aufkaufte und mit ihnen in ein neu gebautes kleineres Fabrikgebäude zog, das der Optima an der Böblinger Allee genau gegenüber lag. Dort arbeitete Ruthardt, bis er in den letzten Kriegstagen noch eingezogen wurde. Da er aus dem Krieg nicht mehr zurückkehrte, vermietete seine Witwe die kleine Fabrik an einen Herrn Kölle, der bis zum Kriegsende bei der Sindelfinger Jacquardweberei Zweigart & Sawitzki beschäftigt war. Er arbeitete dieser großen Firma zu und erweiterte die Produktion. Sein Sohn Erich erbaute dann in Sindelfingen ein größeres Gebäude in der Vaihinger Straße.
Diese Firma wurde etwa 1975 aufgegeben und Erich Kölle konnte dem Sindelfinger Webereimuseum eine noch in seinem Keller stehende Schaufelschaftmaschine stiften, die 20 Schäfte steuerte und mit der noch Schürzen mit Bordüren gewebt worden waren. Neben den Schürzen wurden auch Milchseihtücher für die Landwirtschaft gewoben und im Schweppelesgässle verkauft - auch das ist Sindelfingen. Ein interessantes Aperçu: Diese Schaufelschaftmaschine war bei der Firma Kabisch gebaut worden, von der wir schon erzählt haben.