26 November 2023


 Der Sindelfinger Grafiker
 Karl Eisenhardt
Bühnenbild von Karl Eisenhardt

Immer wieder gab es Hinweise: Oben in der Langen Gasse gab´s ein Haus mit einer großformatigen Malerei darauf. Und der Maler soll auch  fotografiert haben. Wer weiß etwas Genaueres?

Diese Spuren zu verfolgen, hat nach einem ersten Hinweis von Frau Alwine Weller Jahre gedauert. Dann wurde klar: Es geht hier um den Sindelfinger Karl Eisenhardt und im März 2014 gab es dann endlich das erste Telefonat mit Frau Gisela Thiers in Paris, der Tochter dieses Künstlers. Und dabei die überraschende Information, dass sich in Paris noch eine große Zahl von Entwürfen, Skizzen, Fotos und fertig gestellten Werken ihres Vaters befindet! 

das Haus in der "Langen Gasse" (im Krieg zerstört)
Karl Eisenhardt (links) beim Musizieren

Und nach vielen Vorarbeiten  hing am 5. Februar 2016 eine eindrucksvolle Auswahl seiner Werke im hellen Licht der städtischen Galerie. Welch eine Überraschung für alle, die Karl Eisenhardt noch kannten und jetzt staunend vor seiner künstlerischen Vielfalt standen. Alle waren sehr dankbar dafür, dass sich die Galerie der Stadt Sindelfingen sofort bereit erklärt hatte, ihre schönen Räume einer Karl-Eisenhardt-Ausstellung zur Verfügung zu stellen. 

bei der Ausstellungseröffnung (Frau Gisela Thiers stehend im hellen Kleid)

Wer war dieser Karl Eisenhardt? Bevor es dazu einen ausführlicheren Vortrag von seiner Tochter, Frau Gisela Thiers, zu hören gab, nutzte Kultur am Stift wieder einmal eine kleine szenische Lesung, um ins Thema einzuführen. Das fiktive Gespräch in Stuttgart am sogenannten "Neuen Theater" zwischen dem Bühnenbildner Karl Eisenhardt und dem Dramaturgen Fred Alten ließen wir im Jahre 1949 stattfinden. Damals hatte sich nämlich eine heikle Situation entwickelt, wegen der der Intendant dieses Theaters, Fred Schroer, dabei war, verärgert Stuttgart zu verlassen.

Einige Informationen über das Leben des Karl Eisenhardt (1908 - 1978)

Mit Karl Eisenhardt steht uns ein Mann vor Augen, dessen Leben typische Aspekte eines in der historischen Altstadt aufgewachsenen Sindelfingers aufzeigt.

Der Vater Jacob war Schreinermeister und lebte und arbeitete mit seiner Familie in dem über 500 Jahre alten Haus Lange Straße 40, das direkt an die Stadtmauer gebaut war. Wir finden es hier wie so häufig bei den familiären Strukturen der Vergangenheit:  Der Vater bestand darauf, dass der älteste Sohn trotz der Vorschläge der Lehrer nicht den erhofften Gymnasialabschluss machen konnte, sondern einen „Brotberuf“ zu ergreifen hatte. Das heißt, dass Karl eine Lehre als Dekorations- und Schriftenmaler bei der Sindelfinger Firma Hornikel begann. Trotz des frühen Todes der Mutter 1920 entwickelt sich eine musische Familie: Karl zeichnete und malte gerne und gut, spielte später Geige, seine Schwester Emma Klavier, deren späterer Ehemann Tenorhorn. 

Karl interessiert sich auch früh für die Fotografie und macht mit seiner Voigtländer bis zu seinem Lebensende unzählige Aufnahmen. Eine Reihe von Fotos – auch mit Sindelfinger Motiven – werden unter dem Blickwinkel gemacht, sie als Vorlagen für Aquarelle oder Ölbilder zu nutzen. So entstehen Fotos, wie sie nur selten im damaligen Sindelfingen gefunden werden: Nicht bloße sachliche Dokumente, sondern bewusst gestaltete Bilder des alten Städtchens Sindelfingen. 

Auch die enge Naturverbundenheit passt in dieses Persönlichkeitsbild. Ölgemälde greifen die Umgebung Sindelfingens auf, aber auch Motive der Schwäbischen Alb oder des Bodensees. Auffällig ist natürlich die Häufigkeit der Bilder und Fotos mit Ansichten der Bergwelt, zu der sich Karl Eisenhardt besonders hingezogen fühlte.

Gouache zum Thema Fotografie 1

Gouache zum Thema Fotografie 2

Seine vielen Firmenwechsel verweisen uns auf die sehr schwierigen wirtschaftlichen Zeiten, die es für Karl Eisenhardt verhinderten, sich als freier Künstler zu etablieren. Dabei zeigen seine kleinen Gouachen, die als Vorlagen für Plakate dienen könnten, dass er mit diesen Entwürfen künstlerisch „am Puls der Zeit“ war.; das heißt, am Puls der Zwanziger Jahre. Daher war es dann sicherlich eine große Chance für ihn, als er eine Anstellung als Bühnenmaler und Bühnenbildner am Schauspielhaus Stuttgart erhielt, die ihm viele künstlerische Freiheiten eröffnete. 

Stuttgarter Bühnenbild zu Brechts "Dreigroschenoper"

Als der Vertrag mit dem Theater 1949 nach arbeitsrechtlichen Streitigkeiten aufgelöst wurde, zog Karl Eisenhardt wieder in seine Heimatstadt Sindelfingen zurück und eröffnete hier seine Werkstatt als Schildermaler. Die brachte ihm zwar viele interessante Aufträge - reduzierte seine künstlerischen Ambitionen dann allerdings auf die private Welt .

Karl Eisenhardt: "Winterliches Sindelfingen"

Wir danken der Familie Gisela und Jean-Marie Thiers für ihre Unterstützung und die Abbildungen..

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